Arbeitskreis Stolberger Geschichte
Erläuterungen zur Ausstellung MEINE HEIMAT „Stolberg zur Zeit der Industrialisierung“
Herausgeber: Arbeitskreis Stolberger Geschichte
Zusammenstellung: Heinz Foltz

7.  Die Glasindustrie

7.1.  Die Hohlglashütten in Stolberg

Dr. Ulrich Glasneck

Diese kurze Übersicht beruht in weiten Teilen auf den Arbeiten von Dr. Peter Schröder, 1925, und von Dr. K.H. Garke, 1985.

Wieviele Glashütten im Laufe von drei Jahrhunderten im Gebiet des heutigen Stolberg existierten, ist nicht genau bekannt. Auf zehn gibt es Hinweise, einige andere werden die Experimentierphase nicht überlebt haben.

Reine Hohlglashütten sind

  • die Johannishütte (1790 – 1909),
  • die Nikolaushütte (1790 – 1881),
  • die Prattelsackhütte (1790 – 1881) sowie
  • die Jordanshütte (1845 – 1917).

Eventuell kann man auch

  • die Siegwarthütte Atsch (1850 – 1928)

dazu zählen.

Typische Produkte dieser Hütten sind auf den dekorativen Briefköpfen in der Ausstellung „Stolberg zur Zeit der Industrialisierung“ (Red.) zu sehen. Hauptanteil waren dabei Flaschen in jeder Farbe und Form, vor allem für Getränke und Parfüm.

In den Anfängen fand auch die Fenster- und Flachglasherstellung in Hohlglashütten statt, indem lange Zylinder geblasen und dann aufgeschnitten wurden. So erstaunt es nicht, dass die Siegwarthütte Atsch sowohl Scheiben als auch gro0e Säureballons produzierte.

Lassen wir am Anfang Dr. Garke die wechselvolle Geschichte der Stolberger Hohlglashütten beschreiben:

„Wie wurde nun eigentlich in Stolberg Glas hergestellt und was für Gläser wurden produziert? Das soll im folgenden kurz beschrieben werden.

Seit der Zeit des Kaisers Augustus (27 v.Chr. bis 14 n.Chr.) hat sich an der Technik des Glasblasens im Grunde bis heute nicht viel geändert. Mit einem Rohr wird eine kleine Menge Glasschmelze aus dem Hafen (einem Topf) aufgefangen, am anderen Ende hineingeblasen und die so entstehende Glasblase durch Ziehen, Kneten usw. wunschgemäß geformt. So wurden vor allem Trinkgläser, Vasen, Flaschen hergestellt, aber auch Fensterglasscheiben. Zunächst war dabei die Herstellung flachen Glases auf kleine Stücke beschränkt; sie entstanden als sogenanntes Mondglas, indem eine große Kugel erblasen und am unteren Ende aufgeschnitten wurde. Durch rasche Drehung unter Hitze entwickelte sich dann mittels der Zentrifugalkraft aus der Kugel eine kreisrunde Scheibe. Sie wurde dann halbmondartig aufgeschnitten und das mittlere verdickte Stück, an dem die Pfeife saß – der sogenannte Butzen -, herausgelöst. Aus mehreren ineinandergefügten Butzen wurden die sogenannten Butzenscheiben fabriziert. Aus den halbmondförmigen Stücken wurden kleine Scheiben geschnitten, die dann mittels vieler Sprossen zu Fenstern verarbeitet wurden. Eine sehr langwierige Arbeit, wie man sieht. Das änderte sich erst als man auf den Gedanken kam, große Kugeln zu blasen und sie dann von einem Podest oder in einem zwei Meter tiefen Schacht zu schwenken und zu drehen, so dass sie einen größeren Glaszylinder ergaben. Dann wurden an beiden Enden die Halbkugeln abgeschnitten, der so gewonnene Hohlzylinder längs aufgeschnitten und auf einem Tisch zu einer Platte aufgeklappt. Es ist das Verfahren, nach dem auch in Stolberg Fensterglas hergestellt worden ist.

Auch Trinkgläser wurden mit einer Glasmacherpfeife hergestellt, entweder frei von Hand geblasen oder aufgeblasen in einer aufklappbaren Form, so vor allem auch Flaschen.

Eine der ältesten Nachrichten über die Herstellung von Glas in Stolberg datiert aus dem Jahre 1780. Zu dieser Zeit soll ein Wallone in einer Mühle am Prattelsack die ersten Versuche zur Herstellung von Glas gemacht haben. Nähere Angaben über den Namen dieses ersten Begründers der Stolberger Glasindustrie sowie über Art und Umfang dieses Betriebes liegen nicht vor. Es steht nur fest, dass die Versuche bald eingestellt werden mussten, da sie infolge der damit verbundenen allzu hohen Unkosten und wahrscheinlich aus Mangel an Betriebskapital zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt hatten. Scheinbar hat es sich bei diesem Versuch um die Fabrikation von Hohlglas gehandelt, was auch daraus zu schließen ist, dass die erste sicher bezeugte Glashütte eine Hohlglashütte war. Es ist aber anzunehmen, dass durch diesen ersten Versuch die Stolberger Kupfermeister auf die Chancen, die sich ihnen durch die Einführung der Glasindustrie in Stolberg boten, überhaupt erst aufmerksam gemacht wurden. Fest steht jedenfalls, dass sich im Jahre 1790 mehrere Stolberger Kupfermeister, und zwar Prym, Schleicher auf Bernhardshammer, Lynen auf Dollartshammer, Lynen-Adams auf Stürenhof und J. Peltzer auf Steinfeld vereinigten und eine Glashütte im Hammerfeld anlegten. Weil sie sämtlich Freimaurer waren, benannten sie die Hütte nach ihrem Schutzpatron St.-Johannis-Hütte. Diese St.-Johannis-Hütte auf dem Hammerfeld war also in dem heutigen Fabrikationsbetrieb der Firma Prym und auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo heute der 1952 errichtete Neubau der Chemie Grünenthal GmbH steht, errichtet worden. Letzteres Grundstück mag manchem älteren Stolberger noch unter dem Namen „Der Esel“ bekannt sein.

In der Johannishütte wurde mit Hilfe der aus dem Schwarzwald weg engagierten Glasbläser Hohlglas, vor allem wohl Flaschen (für Apotheken) und Trinkgläser geblasen (später auch Rubinglas, wie es heißt „beachtlich in Form, Tönung und Reinheit“).

Die Kupfermeister mussten allerdings die Glasproduktion schon nach zwei Jahren wieder einstellen, weil sie erhebliche Schwierigkeiten mit dem feuerfesten Material zur Herstellung der Schmelztiegel hatten, was ihnen überhaupt nicht glücken wollte.

Bereits im Jahre 1792 ging die St.-Johannis-Hütte in den Besitz der Großfamilie Siegwart über – es waren zwei Brüder, Peter und Josef, und ihr Schwager Franz Josef Schmidt. Die Siegwarts waren eine Glasbläserfamilie aus St. Blasien im Schwarzwald. 1831 schied Peter Siegwart wieder aus, um in Stolberg eine andere Glashütte zu übernehmen. Nach dem Tode des anderen Siegwart, Josef – etwa 1833 - ,verkaufte dessen Witwe das Anwesen an den Eschweiler Hubert Schneiders, der die Hütte mit anderen Mitinhabern – wohl Glasbläsern – bis 1838 weiterbetrieb, um sie dann dem Aachener Bankier Zurhelle zu überlassen.

1845 wird die Hütte als im Besitz der Firma „St.-Johannis-Glashütten-Gesellschaft“ gemeldet. Gesellschafter waren P.Paulhau, Graf Hompesch von Ruhrig und Graf d*Ancy aus Brüssel. Aber bereits 1846 wurde der Betrieb wegen – wie es so schön heißt – Fallissements, also Zahlungsunfähigkeit, des Herrn Paulhau stillgelegt und das gesamte Arbeitspersonal entlassen. Aber 1851 erwarb die Familie Siegwart die Hütte wieder. 1872 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft unter der Firma „Glashütte vorm. Gebr. Siegwart & Co.“ umgewandelt, in deren Besitz sie bis 1909 blieb und dann stillgelegt wurde. Nach 1909 wurden in den Fabrikgebäuden von einer Firma „Glashüttenwerk Union“ noch eine Zeitlang Glasfirmenschilder hergestellt, also kein Glas erzeugt. Der Name „Union“ dürfte alten Stolbergern in Verbindung mit dieser alten Fabrikationsstätte noch ein Begriff sein.

Eine zweite Glashütte war ebenfalls etwa 1790 im Prattelsack von Johann Nikolaus Schleicher angelegt worden. Vermutlich bestand dieses Unternehmen aus zwei Betriebsstätten, der Glashütte Prattelsack und der Nikolaushütte (daher heute noch Nikolausstraße). Beide Hütten lagen nur mehrere hundert Meter voneinander entfernt, allerdings durch eine Straße getrennt. Dieser Betrieb wird erst 1831 von Peter Siegwart erworben, nachdem dieser – wie schon gesagt – aus der St.-Johannis-Hütte ausgeschieden war. Nach seinem Tode führten seine Kinder zusammen mit anderen Teilhabern, nämlich Bernhard Rüben und Philipp Michel, die Glashütte weiter, bis dieser Betrieb 1872 zusammen mit der St.-Johannis-Hütte in die AG vorm. Gebr. Siegwart & Co. eingebracht wurde. Nach mündlichen Angaben wurde die Glasfabrikation 1881 im Prattelsack eingestellt. Wie schon gesagt, betrieb die Familie des Peter Siegwart im Prattelsack zwei getrennte Hütten. Sie werden 1845 als eine für grüne und eine für weiße Glaswaren genannt (wahrscheinlich Flaschen). Vor 1850 ging man aber auch schon dazu über, Glas zu schleifen und die Kristallglasfabrikation aufzunehmen. Bereits im Jahre 1849 errichteten die Siegwarts in der Glashütte im Prattelsack einen „Kristallofen nach französischer Art“, wohl den ersten auf deutschem Boden.

Die Familie Siegwart erwarb dann 1899 noch ein drittes Unternehmen, nämlich eine Fensterglashütte. Diese Fensterglashütte wurde 1860 von der Firma „Stolberger Glashüttengesellschaft Emil Rabe & Co.“ auf der Schneidmühle unterhalb Stolbergs gebaut. Bereits 1861 trat eine Fusion mit einer Glashütte in Nievelstein bei Herzogenrath ein. Aber schon 1864 musste die Firma liquidieren. Die Hütte, die große Schulden auch gegenüber der Chemischen Fabrik Rhenania hatte, wurde dann notgedrungen von dieser aus der Konkursmasse für 150.000 Franken übernommen und mit gewissen Erfolgen bis 1890 weitergeführt, wo sie – wie schon gesagt – dann in den Besitz der Siegwarts überging. Sie wurde erst 1928 geschlossen.“

Dr. Schröder führt zur Geschichte der Glashütte Jordan an:

„Im Jahre 1845 kaufte Peter Krings die früher Wilhelm Lorenz Schleicher gehörige (1625 erbaut von Matth. Peltzer, seit 1799 im Besitz der Familie Schleicher) Messinghütte am Jordan und wandelte sie in eine Glashütte um. Dieser Betrieb blühte bald auf.  Bereits 1846 erfuhr die Hütte durch Andreas Rüben nach dem Tode des Peter Krings ihre erste Erweiterung, der bald weitere folgten (1851 wird ein zweiter Glasofen mit vier Kühlöfen aufgestellt, 1866 ein dritter Glasofen). 1872 befindet sich die Hütte im Besitz der Firma Kraus, Krings & Co. 1866 ging das gesamte Mobiliar der Hütte, die inzwischen von der Stolberger Glashütten-Akt.-Ges. erworben worden war, in den Besitz der Rhein.-Westf. Genossenschaftsbank über und hieß fortan „Glashütte Jordan“. Die Hütte war bis zum Jahre 1917 in Betrieb. Heute befindet sich in den Gebäulichkeiten eine Glasschleiferei, eine Kettenfabrik und ein Holzbearbeitungsbetrieb.“

Diese Glasschleiferei soll laut mündlichem Bericht Rohgläser von Peill und Putzler, Düren, erhalten haben.

Dr. Garke beschreibt im folgenden Text die erstaunliche Vielfalt an verschiedenen Erzeugnissen in den Hohlglashütten.

„Was für Glas wurde nun eigentlich in all den Jahren in Stolberg produziert? Die Berichte darüber sind spärlich, und meines Wissens sind auch nicht viele Gläser mehr in Stolberg vorhanden. Aber folgendes geht aus alten Unterlagen hervor:

1858 wird erwähnt, dass wegen einer guten Weinernte der Absatz in Weinflaschen (sogenanntes gemeines grünes Glas) gestiegen sei. 1864 waren es auch Kristallgläser wie böhmisches Kristall wie auch Glasknöpfe. 1869 hat jedoch der Absatz in Glasknöpfen fast ganz aufgehört. Dafür gingen aber Stecknadeln mit Glasknöpfen, die bisher aus Venedig, Böhmen und Paris eingeführt werden mussten. Und 1873 weist der Briefbogen der Firma Gebr. Siegwart & Co., Glasfabriken, eine ganze Palette von Glaswaren auf. Das reicht von Kristallwaren, also Trinkgläsern, Karaffen, Weiß- und Grünglasflaschen, allen Sorten von rohen und geschliffenen Glaswaren, Beleuchtungsgegenständen und Glasschmelz für Glas-Stecknadelköpfe über Parfümerie- und Arzneigläser, Eau-de-Cologne-Flakons bis zu Wein- und Mineralwasserflaschen.

Das war eigentlich bei einer Firma das Produktionsprogramm der gesamten Glasindustrie. Man fragt sich, wie man da noch Geld verdienen wollte. Und später kam da noch geblasenes Fensterglas hinzu, das in einer Hütte in der Atsch hergestellt wurde.  In einer Abteilung der Siegwart-Hütte in Binsfeldhammer wurden u.a. Signalfarbgläser für Positionslaternen der Marine hergestellt, die von einer ausgezeichneten Qualität gewesen sein sollen. Schöne Gläser aus der Stolberger Glasbläserzeit, die ein besonderes Gespür für Form und handwerkliches Können verraten, soll es noch in einigen Stolberger Privatsammlungen geben. Einige sind in dem schönen Band „Stolberg, wie es einst war“ abgebildet.

Sehr schöne Gläser sind auch in der Torburg im Heimat- und Handwerksmuseum zu sehen.“

Was für Faktoren haben nun die zunächst blühende Glasindustrie stark eingeschränkt und zu der fast vollständigen Auflösung geführt?

Dr. Schröder schreibt:

„Was zunächst die Beschaffung der erforderlichen Rohstoffe anbelangt, so steht seit Jahrzehnten die Kohlenfrage im Vordergrund des Interesses. Bis zum Kriege vollzog sich die Versorgung immerhin noch ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Während des Krieges trat dann eine Minderbelieferung mit Kohle infolge der übermäßigen Inanspruchnahme der Eisenbahn für den Transport des Kriegsmaterials ein. Sie machte sich jedoch nicht so stark fühlbar, weil auch der Beschäftigungsgrad infolge der geringen Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte verhältnismäßig schlecht war. Ging doch in der Spiegelmanufaktur die Zahl der beschäftigten Arbeiter von 811 im Jahre 1913 auf 303 im Jahre 1917 zurück und in der Glashütte vorm. Gebr. Siegwart von 380 im Jahre 1913 sogar auf 85 im Jahre 1918. Entsprechend sank natürlich auch die Produktion.

Dann kam das Kriegsende und mit ihm der Vertrag von Versailles, der uns gerade in Bezug auf Kohlenlieferungen an den Verband große Opfer auferlegte. Die Belieferung der Werke mit Kohlen wurde noch schlechter, als sie es bereits während des Krieges gewesen war, und nahm von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat ab. Die Nähe ergiebiger Braunkohlenlager hatte die Hütten schon lange vor dem Kriege veranlasst, ihren Betrieb auf Braunkohle umzustellen, die außerdem bedeutend billiger ist, wodurch eine größere Ersparnis erzielt wird. Sowohl die Spiegelmanufaktur als auch die Glashütte Siegwart verfeuern seit dem Jahre 1912 bzw. 1906 nur mehr Braunkohle, die sie aus dem rheinischen Becken beziehen, während die für andere Schmelzzwecke benötigten Steinkohlen nach wie vor aus dem Aachener und Ruhrbecken bezogen werden. Der durchschnittliche Jahresverbrauch an Kohle beläuft sich bei der Spiegelmanufaktur auf 40.000 Tonnen und bei der Glashütte Siegwart auf 24.000 Tonnen. Erwähnenswert ist, dass die Spiegelmanufaktur seinerzeit plante, die Braunkohle der Gewerkschaft Lucherberg bei Inden an Ort und Stelle in Gas zu verwandeln und mittels Fernleitung direkt in die Generatoren zu leiten. Der Plan dürfte wohl an den allzu hohen Kosten einer solchen Leitung gescheitert sein.

Die Versorgung der Stolberger Glashütten mit Sand geschieht vor wie nach in der Hauptsache aus der Gegend von Herzogenrath, wo die Nievelsteiner Sandwerke und die Sandsteinbrüche Nievelstein, wie oben bereits erwähnt, die Hauptfundstätten darstellen. Daneben bezieht die Spiegelmanufaktur noch Sand aus dem weiteren rheinischen Becken, und zwar aus Großkönigsdorf und Frechen bei Köln. Auch die in der Nähe von Stolberg gelegenen Sandgruben von Eilendorf liefern noch einen Teil des benötigten Sandes. Die Spiegelmanufaktur verbraucht jährlich ca. 54.000 Tonnen Sand, und zwar 18.000 Tonnen Schmelzsand und 36.000 Tonnen Schleifsand. Der Jahresverbrauch der Glashütte Siegwart beträgt ca. 6.000 Tonnen. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Stolberger Glasindustrie in Bezug auf den Sand, einen ihrer wichtigsten Rohstoffe, vor wie nach günstig gestellt ist, da er in der Hauptsache aus allernächster Nähe beschafft werden kann.

Nicht so gut sieht es mit der Beschaffung von Ton zur Herstellung von feuerfestem Material aus, der in hiesiger Gegend nicht gewonnen wird. Er muss von weither, zum Teil sogar aus dem Auslande bezogen werden. Während die Glashütte Siegwart den von ihr benötigten Ton ausschließlich von der Aktiengesellschaft „Vereinigte Großalmeroder Tonwerke Aug. Gundlach & Co.“ in Großalmerode (Reg.-Bez. Cassel) bezieht, kommt der Ton, den die Spiegelmanufaktur verbraucht, zum Teil aus Grünstadt in der Pfalz, zum Teil aus Belgien (Becken von Ardenne) und aus Frankreich (Becken von Provins). Die Spiegelmanufaktur verbraucht durchschnittlich 1.000 Tonnen im Jahr und die Glashütte Siegwart ca. 120 Tonnen.

Der Kalk, der in der Stolberger Glasindustrie verarbeitet wird, wird ausschließlich von den Stolberger Kalkwerken geliefert. Der Bedarf der Spiegelmanufaktur beläuft sich auf ca. 6.000 Tonnen jährlich, der der Glashütte Siegwart auf 4.500 Tonnen jährlich. Die Spiegelmanufaktur bezieht außerdem noch Quarz aus Großkönigsdorf.

Was die Versorgung mit den erforderlichen Chemikalien betrifft, so erfolgt die Belieferung mit Sulfat ausschließlich durch die Chemische Fabrik Rhenania in Stolberg. Es wird durch Auto oder Fuhrwerk direkt von der Fabrik abgeholt. Die Spiegelmanufaktur bezieht daneben Soda aus Millingen Rhl. und aus Saaralben in Lothringen. Der Bedarf beläuft sich für die Spiegelmanufaktur auf ca. 6.000 Tonnen und für die Glashütte Siegwart auf ca. 2.300 Tonnen.

In Bezug auf den wichtigsten Produktionsfaktor, die Rohstoffe, ist also die Stolberger Glasindustrie, wie aus dem Gesagten hervorgeht, trotz mancher Verschlechterungen im Vergleich zur Vorkriegszeit immerhin noch verhältnismäßig günstig gestellt.“

Zum Schluss fragt sich Dr. Garke, was von der großen Stolberg Glasindustrie übriggeblieben ist:

„Außer der großen Spiegelmanufaktur erinnern eigentlich nur noch Stolberger Straßennamen an sie: da ist die Prattelsackstraße, die Nikolausstraße, nach der Nikolaushütte benannt, die Johannisstraße, benannt nach der Johannishütte, das Schnorrenfeld, die Jordanstraße und der Ortsteil Münsterbusch, der Glashüttenweiher sowie die Cockerillstraße und nicht zuletzt die Siegwartstraße.

Dabei entbehrt der 140-jährige Kampf der Familie Siegwart um ihre Behauptung in der Glasindustrie nicht einer gewissen Tragik. Bei dem erheblichen Kapitalbedarf der Glasindustrie um die Jahrhundertwende durch die Einführung neuer kostspieliger Techniken erwies sich die Kapitaldecke der verschiedenen Unternehmen der Familie Siegwart als zu kurz und musste eines nach dem anderen geschlossen werden. Die Siegwarts waren vom Glas geradezu besessen und wollten nicht wie andere Stolberger Glashüttenbesitzer rechtzeitig auf andere Industriezweige umsteigen.“