Arbeitskreis Stolberger Geschichte:
Erläuterungen zur Ausstellung MEINE HEIMAT „Stolberg zur Zeit der Industrialisierung“
Herausgeber: Arbeitskreis Stolberger Geschichte
Zusammenstellung: Heinz Foltz

2. Der Steinkohlenbergbau in Stolberg

Paul M. Kirch, Dipl. Geologe


Dass die Geologie durchaus die Struktur und die Menschen einer Landschaft beeinflussen kann, wird besonders im Vichtbachtal deutlich. Die steilen Talhänge boten gute Aufschlüsse. Sie waren Anlass zur Errichtung einer Reihe von Steinbruchbetrieben. In der Folge siedelten sich Industriebetriebe an, die die vorhandenen Rohstoffe wie Kalk, Dolomit, Kohle, Erze oder auch die günstigen Wasserverhältnisse nutzten.

Über die Entstehung der Gesteine

Das Meer bildet das gewaltige Sammelbecken der Hauptmengen des Gesteinschuttes, der durch die Verwitterung und Abtragung entsteht und durch fließendes Wasser, Eis und Wind von seinem Bildungsort wegtransportiert wird. Geologisch gesehen ist daher das Meer der Hauptort der Sedimentation (Ablagerung). Alle Sedimente sind nach ihrer Ablagerung zunächst locker. Die Vorgänge, die zur Bildung von Festgesteinen führen, werden durch Zeit, Auflagerungsdruck und Temperatur beeinflusst. Sand ist zu Sandstein, Ton zu Tonstein und Torf zu Kohle geworden.

Die Gesteine lagern sich in Schichten ab. Im 17. Jahrhundert erkannte man bereits, dass jede höhere Gesteinsschicht jünger ist als die darunter liegende, d.h. die relative Altersfolge konnte so bestimmt werden. Da die Schichten Gesteinsplatten von beträchtlicher horizontaler Ausdehnung sind, kann man somit Schichtenfolgen in verschiedenen Aufschlüssen, wie z.B. in Steinbrüchen, Straßeneinschnitten, Bergwerken u.ä. altersmäßig miteinander vergleichen und in Beziehung setzen. Fossilien sind wichtige Hilfsmittel der relativen Altersbestimmung.

Die Faltenelemente am Nordrand des Stavelot-Venn-Massivs wurden mit Lokalnamen belegt: Burgholzer Mulde, Hammerberg-Sattel, Inde-Mulde, Aachener Sattel, Wurm-Mulde. Das Schichtstreichen verläuft in ihnen von Südwesten nach Nordosten. Nach Nordwesten taucht das variszische Grundgebirge unter eine geschlossene Decke von Oberkreide, Tertiär und Quartät. Nach Nordosten wird es durch westliche Randstörungen der Niederrheinischen Bucht begrenzt.

In der Oberkarbon-Zeit (vor 320 Millionen Jahren) begann die Erdoberfläche abzusinken; sie nahm den Abtragungsschutt des sich im Süden hebenden Faltengebirges auf. Dunkle Tonschiefer, helle graue Sandsteine und Konglomerate bestimmen das Bild. Bekannt ist das „Gedauer Konglomerat“, im Volksmund auch „Tatternsteine“ genannt. Bis zu 25 m mächtig ragt es bei steiler Schichtenfolge oft als Felsen aus den Hängen hervor, z.B. bei Gedau, Büsbach, am Donnerberg.

Große Bedeutung gewannen baumbestandene Moore, aus deren Reste die Steinkohlenflöze hervorgegangen sind. In der Inde-Mulde trägt die untere flözführende Einheit die Bezeichnung „Außenwerke“. Sie besitzen eine Mächtigkeit von 100 m und enthalten vorzügliche Kohlenflöze. Von ihnen sind fünf (Kleinkohl, Großkohl, Spliß, Eule und Jülcher) bis zur Stilllegung der letzten Stolberger Grube im Jahre 1891 in beträchtlichem Umfang abgebaut worden. Die Flöze, die früher auf den Gruben James (1891), Birkengang (1883), Atsch (1870), Probstei (1879) und Ichenberg abgebaut worden sind, lieferten eine Kohle mit sehr hohem Heizwert. Flöz Großkohl hatte vor dem ersten Weltkrieg den größten nutzbaren Heizeffekt von allen damals bekannten deutschen Kohlen. Als Zeugen des ehemaligen Abbaus findet man noch Pingenzüge und kleine Halden (Buschmühle – Atsch-Dreieck – Steinfurt), im Volksmund „Hövvele“ genannt.

Die über den Außenwerken 350 m mächtigen „Breitgang-Schichten“ sind kohlenarm. Sie enthalten lediglich vier auch in der Vergangenheit nur sehr beschränkt bauwürdige Flöze: Breitgang, Leimberg, Huppenbroich und Langenberg.

Auf die Breitgang-Schichten folgen als jüngstes Schichtglied der Inde-Mulde die „Binnenwerke“ mit Flöz „Padtkohl“. Diese 500 bis 600 m mächtigen Schichten enthalten 34 Flöze, von denen die Hälfte bis zum Erliegen des Bergbaus im Jahre 1944 (Eschweiler Reserve) bauwürdig war.

Die Steinkohlenflöze wurden durch zahlreiche Gebirgsstörungen oder Sprünge, die der Bergmann mit „Kropp“ oder „Gewand“ bezeichnete, in zahlreiche Einzelabschnitte aufgeteilt.

Die Kohlenmulde des Indegebietes erstreckt sich von Buschmühle bis Weisweiler, sie war 12 km lang und 2 km breit.

32 Flöze des Eschweiler Kohlenbergs wiesen nur eine Mächtigkeit von 26 cm und weniger auf, 15 weitere 39 cm.

Die Stolberger Zechen stützten sich auf nur fünf Flöze, 4 weitere waren abbauunwürdig.

Die nutzbare Flözmächtigkeit war noch nicht 2 m!

Nach vorsichtigen Schätzungen förderten die Stolberger Gruben von 1855 bis 1891 2,25 Mill. Tonnen (siehe Chronologie der Gruben Atsch, Birkengang, Probstei und James).

Ohne die erwähnte Kohleförderung ist eine derartige Entwicklung wie sie der Stolberger Raum genommen hat, undenkbar. Hier wird die Abhängigkeit der Entwicklung der menschlichen Zivilisation von den geologischen Gegebenheiten klar und deutlich sichtbar – eine Abhängigkeit, die oft übersehen worden ist.