Arbeitskreis Stolberger Geschichte:
Erläuterungen zur Ausstellung MEINE HEIMAT „Stolberg zur Zeit der Industrialisierung“
Herausgeber: Arbeitskreis Stolberger Geschichte
Zusammenstellung: Heinz Foltz

1.  Stolberg zur Zeit der Industrialisierung

Dr. Willi Frentz


Industrialisierung ist der Prozess des Übergangs von Handwerk, Gewerbe, Manufaktur, Verlagswesen zu industriellen, fabrikmäßigen, maschinellen, zentralisierten Produktionsformen.

In Stolberg finden wir sowohl

  • das Umsteigen der Kupfermeisterfamilien auf verwandtes Neuland als Unternehmer metallverarbeitender Industrie als auch

  • Gründungen von Unternehmen, die mit neu entwickelten oder übernommenen Technologien Neues anfangen.


Gefördert wurde dieser Prozess durch die Tätigkeit preußischer Beamter – Stolberg gehörte seit 1815 zum Königreich Preußen.

  • Der Staatsrat Peter Beuth, Direktor für Handel und Gewerbe im preußischen Innenministerium, hatte 1814 als Kämpfer des Lützowschen Korps in Lüttich bei den Brüdern Cockerill im Quartier gelegen. Diese Bekanntschaft gab den Ausschlag dafür, dass eines der ersten Industrieunternehmen im Raum Stolberg, die Zinkhütte, auf dem Münsterkohlberg in Stolberg-Münsterbusch errichtet wurde.

  • Der Königliche Regierungsrat Theodor Jakob Brecht gründete 1846 die Kommanditgesellschaft auf Aktien „Allianz“ zur Ausbeutung Stolberger Erzvorkommen.

  • Der vom preußischen Staat als Direktor des neuen Schaffhausenschen Bankvereins eingesetzte Gustav Mevissen stand dem Kölner Bankier Simon Oppenheim nahe, der erster Präsident der Stolberger Zink wurde.

    Gefördert wurde der Prozess der Industrialisierung auch durch die 1850 errichtete

Handelskammer Stolberg,


deren Vizepräsident Theodor Jakob Brecht war.  Sie war die Wiederaufnahme der 1804 zur Franzosenzeit errichteten Gewerbekammer Stolberg, in deren Ausschuss fünf Messing- und ein Tuchfabrikant saßen (bis Anfang der 20er Jahre).

Die Kammer von 1850 war zur Hauptsache mit Vertretern der neuen Stolberger Gewerbezweige (Tuch, Zink, Glas) besetzt.

Gefördert wurde die Industrialisierung auch durch den Ausbau der Verkehrswege, der von den Franzosen begonnenen Straßen und besonders der Eisenbahn. 1841 erreichte der erste Zug auf der Bahnstrecke Aachen – Köln den Stolberger Hauptbahnhof. 1852 wurde die Bahnstrecke Aachen – Düsseldorf – Ruhrort, 1871 Stolberg – Alsdorf, 1873 Stolberg – Jülich, 1881 die Stolberger Talbahn eröffnet.

Positive Voraussetzung für die beginnende Industrialisierung waren auch die von den Franzosen geschaffenen und von den Preußen nicht wieder abgeschaffte Gewerbefreiheit und Gesetze, die der Gründung von Betrieben günstig waren, auch die Gründung des Zollvereins 1833/34.

Der Entwicklungsvorsprung gegenüber anderen deutschen Gebieten war begründet auf der räumlichen Nähe zu Belgien (Lütticher Raum) mit zahlreichen Verflechtungen persönlicher und finanzieller Art, die Hindernisse in der Aufholung des technischen Standards überwinden halfen. Technologietransfer, Know-how und Kapital wanderten über die Grenze.

Die Industrialisierung konnte aber auch an Vorhandenes anknüpfen:

Das Stolberger Tal war in mehreren hundert Jahren eine Gewerbelandschaft geworden. Die Kupfermeister, deren Gewerbe zurückging, engagierten sich in Industriezweigen, die ihrem bisherigen Gewerbe nahe lagen: Metallverarbeitung. Die frei werdenden Arbeiter suchten eine neue Beschäftigung. Die immer wichtiger werdende Maschine war (nach einem geflügelten Wort) evangelisch, wie die evangelischen Kupfermeister seit 1600. Die aufgelassenen Kupferhöfe wurden neue Industriestandorte, typisch etwa die erste Zinkhütte an der Stelle des Kupferhofes Velau. Die Einführung der Dampfkraft erlaubte die Mengenförderung von Erzen (Zink, Blei, Eisen) und Steinkohle, die bis dahin nur oberflächennah ausgebeutet wurden, aus größeren Erdtiefen.

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