Arbeitskreis Stolberger Geschichte
Erläuterungen zur Ausstellung MEINE HEIMAT „Stolberg zur Zeit der Industrialisierung“
Herausgeber: Arbeitskreis Stolberger Geschichte
Zusammenstellung: Heinz Foltz
8. Die Textilindustrie
Günther Dodt
Durch den Niedergang des Messinggewerbes am Übergang vom 18. Zum 19. Jahrhundert entwickelte sich im Stolberger Raum eine blühende Textilindustrie. Kupfermeister, die nach neuen Betätigungsfeldern suchten, sowie Fachleute aus dem benachbarten Eupen und Verviers gründeten im Stadtkern sowie am Münsterbachtal und in den Orten, die 1972 zur Stadt hinzukamen, eine vielfältige Tuchindustrie. Die Anfänge lagen jedoch schon im 18. Jahrhundert.
8.1. In der Schart
1719 legte Matthias von Asten in der Schart die erste Tuchfabrik in Stolberg an, für die ihm 25 Jahre Steuerfreiheit gewährt wurde. Ihm folgte 1754 sein Neffe Heinrich Peltzer mit einer Betriebsgründung. Nicht unbeachtlich scheint der Hinweis, dass Mitglieder der Familie Peltzer sich auch außerhalb Stolbergs als industrielle Gründer betätigten. So ist auf einen Angehörigen dieser Familie die Gründung der großen russischen Textilindustrie in Narwa zurückzuführen, während ein anderer auf die Textilindustrie in Mönchengladbach nicht unerheblichen Einfluss nahm.
Von 1782 – 1841 betrieb dann Wilhelm Georg Stoltenhoff im Hof Schart eine Tuchmanufaktur. Es ist verständlich, dass die Nähe Aachens mit seiner Textilindustrie anregend für Stolberg wirken musste. Die wirkliche Bedeutung der Betriebe lässt sich heute nicht mehr feststellen, wenn auch J.A. Peltzer in den „Denkwürdigkeiten des Fleckens Stolberg“ 1816 berichtet: „Tausende von Menschen waren 1816 in der Tuchfabrikation an Spinn- und Schermaschinen beschäftigt.“ Sicher ist, dass z.B. der Kupferhof Sonnental um 1810 Spinnerei war. Die kleinen Häuser an der Bergstraße, der sogenannten „Stauchrahm oder Stockrahmen“, werden z.B. in einer Karte aus 1811 als „rames a draps“ (Rahmen zum Trocknen) bezeichnet. Gleiche Einrichtungen befanden sich am Oberstolberger Markt.
8.2. Die Krone
Die Krone stand ursprünglich an der Stelle, wo heute im oberen Steinweg ein Gebäudekomplex im Zeitgeist der 70er Jahre dieses Jahrhunderts steht. Er umfasste mit seinen Gärten das Gebiet des Oberstolberger Marktes einschließlich der Ketschenburgbrauerei und des Bahnbereiches.
Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde hier die Tuchmanufaktur betrieben, indem die Wolle durch den Inhaber angekauft und in Heimarbeit versponnen und gewebt wurde. Die dann noch zu färbenden und walkenden Tuche gingen an den Unternehmer zurück, der auch den Verkauf betrieb und hierdurch die ganzen Fäden in der Hand behielt. Der Erfolg hing ausschließlich am unternehmerischen Geschick. 1771 erwarb Anton Sebastian Stoltenhoff die „Krone“, der den Hof ausbaute und einer Blütezeit entgegenführte. Sein Sohn Johann Gottfried Stoltenhoff betrieb im Haus „auf dem Markt“ im Vogelsang eine weitere Tuchmanufaktur.
Der Sohn Johann Peter Stoltenhoff (1783 – 1872) übernahm das väterliche Unternehmen „Krone“. Infolge des Krieges von 1859 und der finanziellen Verluste durch die wirtschaftliche Entwicklung nach 1848 sowie der technischen Fortschritte der Spinnereien und Webereien verlor er sein ganzes Vermögen. 1860 ging die „Krone“ in den Besitz von Richard Brückmann über, der das Vorderhaus in eine Gastwirtschaft umbaute.
8.3. Sayett-Spinnerei
Im Jahre 1831 richteten die Herren Grand-Ry (aus Verviers) und Poswick eine Baumwollweberei und Sayettspinnerei (Feingarn und Handarbeitsgarn) gegenüber dem Kupferhof Ellermühle ein. Zunächst waren nur 24 „Werkstühle per Mechanic“ in Betrieb, die jedoch, nachdem die Einrichtung einer bereits konzessionierten Dampfmaschine eingesetzt wurde, auf das Doppelte vermehrt werden konnten, so dass auch die Anzahl der Beschäftigten auf ein beträchtliches Maß anstieg. Die Fabrik stand auf dem Platz zwischen Blaustraße, Rathausstraße und dem Haus Union, wo seit dem Jahre 1956 Wohn- und Geschäftsbauten gegenüber dem Bastinsweiher entstanden.
Der erste Direktor war Adolf Bastin. Ihm folgten in der Geschäftsleitung sein Sohn und sein Enkel.
Die Familie Bastin wohnte zunächst im ehemaligen Kupferhof Ellermühle, bis auf der gegenüberliegenden Seite auf der Ecke Blaustraße/Rathausstraße ein neues Wohnhaus für die Direktorenfamilie fertiggestellt war. Der alte Kupferhof diente fortan als Wolllager des Unternehmens. Der Ellermühlenteich erhielt um diese Zeit auch seinen noch heute bekannten Namen Bastinsweiher.
Das Unternehmen ging 1918 an die Kammgarnspinnerei Kümmerlé über, die aber bereits vor 1927 ihre Tätigkeit einstellte.
Die Tuchmanufakturen im Münsterbachtal
8.4. Die Elgermühle
Die Gebäude wurden 1580 zum ersten Mal urkundlich genannt und dienten bis zur Mitte des
19. Jahrhunderts den verschiedensten Gewerbezwecken. Ab 1864 betrieb eine Firma Pohlen im linken der drei Gebäudeteile eine Wollspinnerei. Der Mittelbau fiel 1878 an Jakob Meurer, der hier ebenfalls eine Wollspinnerei betrieb. Interessant ist das dem dreiteiligen Komplex nachgelagerte Gebäude, das so tief liegt, dass der Flutgraben für das Antreiben der Mühlenräder durch das Gebäude hindurchfließt. Es diente der Tuchwäsche und ist unter dem Namen „Plätschmühle“ bekannt. 1900 befanden sich Mittelbau und linker Bau im Besitz der Wollspinnerei Jakob Meurer. 1930 ging der gesamte Besitz einschließlich der Wassergerechtsame als Getreidemühle an die Familie Kalkbrenner über.
8.5. Die Gedau
Von etwa 1650 bis 1800 war die Gedau ein Kupferhof der Familie Peltzer. Um 1800 erwarb die Familie Nellessen, die aus Aachen gekommen war, den Hof und betrieb hier eine Tuchfabrik. Fünf Generationen der Familieninhaber sind in diesem Unternehmen tätig gewesen. Der Betrieb konnte sein 125-jähriges Bestehen begehen, jedoch erlag er 1926 der Wirtschaftskrise.
8.6. Die Boxmühle
Die ehemalige abteiliche Besitzung ist schon 1646 genannt. Zu Beginn der Franzosenzeit ging sie in Privatbesitz über. Seit 1810 wurde hier eine Spinnerei und Färberei betrieben. 1851 sind Havenith & Frohn als Eigentümer genannt. 1900 sind 50 Personen in der Tuchindustrie beschäftigt.
Am 17.1.1906 fällt das Unternehmen einem Brand zum Opfer und wird nicht mehr aufgebaut.
8.7. Die Haumühle
Die Haumühle war in früherer Zeit Besitz der Reichsabtei Kornelimünster und ist 1647 zum ersten Mal genannt. Seit 1851 wurde unter der Firma Deutz & Lafaire eine Tuchfabrik zusammen mit einer Färberei dort betrieben. Dieses Unternehmen hat bis 1880 erfolgreich gearbeitet, geriet aber dann in Konkurs. Der Betrieb wurde von dem Aachener Tuchfabrikanten Gustav Ritter erworben, der Inhaber der 1813 in Aachen gegründeten Tuchfabrik J. van Gülpen war. Bestimmend für den Erwerb dieses Unternehmens war neben dem guten weichen Wasser besonders das Vorhandensein der Färberei. Durch die Firma van Gülpen wurden laufend Verbesserungen und Ausbauten vorgenommen. Der Münsterbach lieferte bis 1937 die Antriebskraft für das Unternehmen.
8.8. Die Buschmühle
Bereits 1816 wird in der Buschmühle Tuchfabrikation betrieben. In den später im Besitz der Getreidemühle Johann Keuchen befindlichen Gebäuden hatte die Aachener Tuchfabrik Lingens etwa 50 Jahr lang gearbeitet, ehe sie um 1900 einer der gerade in der Textilindustrie so häufigen Krisen erlag. Der Betrieb wurde stillgelegt und die Gebäude von Johann Keuchen erworben.
Im oberen Teil auf der anderen Straßenseite hatte in kleinen Gebäuden die alte, aus Aachen stammende Firma Loersch Tuchfabrikation betrieben. Etwa 1896/97 errichtete sie einen modernen sechsstöckigen Fabrikbau, doch schon um 1900 ereilte auch dieses Unternehmen das Schicksal des Konkurses. Die Gebäude lagen einige Zeit unbenutzt. Sie wurden dann von einer Firma Schwager als Kammgarnspinnerei benutzt. Die anfänglich mit Erfolg arbeitende Firma konnte sich aber auch nicht behaupten.
8.9. Die Nepomuksmühle
Weiter bachabwärts liegt die Nepomuksmühle, früher Nepomucenusmühle genannt. Sie ist bereits auf einer Karte des Münsterländchens aus dem Jahre 1640 als zur Reichsabtei Cornelimünster gehörig verzeichnet und diente der Metallverarbeitung.
Von 1832 bis 1895 betrieb die Firma Schwamborn & Classen in der Nepomuksmühle eine Streichgarn-Spinnerei. Es folgten von 1895 bis 1910 die Streichgarn-Spinnerei J. Richelle. Danach lag die Fabrik bis 1928 still. 1928 wurde sie von der Firma von Asten & Co. AG übernommen, die Filztuche für die Papierindustrie herstellte.
8.10. Die Hamm-Mühle
Auch diese Mühle gehörte ursprünglich zu den abteilichen Besitzungen und diente bis 1867 der Metallverarbeitung.
Seit 1881 betrieben Emil Hilden und Theodor Reuver ein Spinnereiunternehmen, das 1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die Gesellschaft erwarb auch die Firma Philipps und Mathée, die etwa 1870 in Stolberg gegründet wurde.
Tuchfabrikation in der ehemaligen Gemeinde Gressenich
Die Tuchindustrie im Zentrum von Stolberg hatte im 19. Jh. auch ihre Auswirkung auf die Aktivitäten in den südlichen Stadtteilen, wenn auch in geringerem Ausmaß. So waren 1890 in Stolberg 160, in Büsbach (Münsterbachtal) 556 und in den Ortsteilen der Gemeinde Gressenich nur 40 Personen in der Tuchindustrie beschäftigt.
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts hat sich Jeremias Hoesch VII. von Junkershammer nicht mehr als Reitmeister betätigt, sondern einen selbständigen Tuchhandel betrieben, von dem nicht bekannt ist, ob er auch mit einer Tuchfabrikation verbunden war.
Die Gebrüder Stoltenhoff aus Stolberg beschäftigten 1836 16 Arbeiterin einer Walkmühle in Gressenich.
Eine Erhebung aus dem Jahr 1848 erwähnt in der Gemeinde Gressenich 28 Webstühle, zwei Tuchfabriken mit zwei Handstühlen, zwei Walkmühlen und eine Appreturanstalt. Die Unternehmen waren einer wechselvollen, wirtschaftlichen Entwicklung unterlegen zu einer Zeit des Übergangs von der Wasserkraft zur Dampfmaschine.
1867 erhielt die Firma Lynen und Dumont die Genehmigung zur Errichtung einer Dampfmaschine zum Betrieb ihrer Spinnerei in der Hämmchensmühle in der Nähe des Bernhardshammers.
1881 ist eine Wollwäscherei des Peter Neumann in Vicht genannt. Ihm wird 1892 die Genehmigung erteilt, sein Unternehmen mit einer Carbonisieranstalt zu versehen und um eine Kunstwollfabrik zu erweitern.
1881 ist ebenfalls in Schevenhütte eine Wollspinnerei des Georg Thelen bekannt, der zu dieser Zeit 14 Personen beschäftigte.
Auf Bernhardshammer betreibt 1886 Robert Reidt eine Kunstwollfabrik. Ihm wurde zu dieser Zeit die Genehmigung zum Betrieb einer Dampfkesselanlage ausgesprochen. Das Unternehmen hat etwa bis 1900 bestanden.
(Diesem Abschnitt liegen die Informationen von Frau Katharina Schreiber zugrunde.)